Ganz ehrlich, auch diese Geschichte ist ein zaghafter Versuch. Nachdem ich längere Zeit nicht geschrieben hatte, und erst recht nicht auf Deutsch, wusste ich gar nicht wo hin mit den Wörtern. Aber ich embrace den Charme des Awkwarden und teile auch das mit euch.

Zaghafte Versuche

Endlich traue ich mich und tippe mein Inserat in die Datingapp. Mist. Ich mag das Retro-Format, aber wie soll ich bei diesem Zeichenlimit ausdrücken, was ich suche?
Ich hol mir ein Stück Schokolade, versuch es noch einmal. Jetzt aber.
„WER TEILT MEINEN KINK. Ich steh auf gespielte Verletzungen. Besonders verstauchte Knöchel, gebrochene Arme. Magst du das mit mir erforschen? Bei einem Kakao drüber reden? Ich freu mich auf dich!“

Zu direkt. Bin das überhaupt ich? Und lüg ich da nicht? Bin ich da nicht zu vage? Es wird Montag, wird Dienstag, wird Mittwoch.

Da. Sie will sich mit mir treffen, sagt sie. Nur plaudern. Ob ich mit ein wenig spontanem Play okay wäre? „Du kannst im Moment natürlich immer ablehnen. Ich möchte nur sicher gehen, dass meine Flirts nicht zu weit gehen.“ Mir stockt der Atem. Was kann ich erwarten, auf was lasse ich mich da ein? Werden unsere Sehnsüchte zusammen passen? Es gibt so viel, worauf ich ja gar nicht stehe in diesem Bereich…

Freitag, Samstag. Ich hab das Café gewählt, weil ich mich in der kleinen Nische im Hof wohl fühle, versteckt hinter dem Topf mit wucherndem Bambus, und hoffe, dass falls doch jemand etwas hört, das dort kein Skandal sein wird. Als ich ankomme, sitzt sie schon am vereinbarten Tisch, den Rücken zu mir, ich wundere mich einen Moment. Setzte mich in die Ecke, nun gut, hab ich eben den versteckteren Platz. Ich gestehe mir ein, dass mir das ganz recht ist.

Wir brauchen länger als unbedingt notwendig, um uns für Getränke zu entscheiden, und beschnuppern uns dabei mit kleinen Bemerkungen und Blicken. Ihr ist der Ketten-Dreck an meinem Bein aufgefallen, und ich fühle mich einen Moment wie das schlimmste Klischee eines Bike Queers mit meiner ausgewaschenen kurzen Cargo-Hose und dem abgeschnittenen T-Shirt, aber ihr Blick lässt mich da nicht lange drin hängen, sie lächelt mich verschmitzt an. Ihre Wahl fällt am Ende auf einen simplen Cappuccino, und ich nehme doch wieder einen Erdbeer-Shake, mein wieder und wieder bewährter Comfort drink. „So.“ Sie fährt sich durch den Bürstenschnitt, zupft das schillernde weiße Top zurecht. „Ich bin extrem neugierig, und will sofort zur Sache kommen. Passt das für dich?“

Ich rede darüber, dass ich gerade erst beschlossen habe, mit mir und meinen Wünschen ehrlicher zu sein, mich nicht so drum zu kümmern, was mir peinlich sein sollte oder nicht. Sie ist immer auf Neues aus, sagt sie, aber ganz ehrlich sei sie auch nicht immer mit sich. Was ihr Zugang dazu sei? Das verhätschelt werden, die Aufmerksamkeit., die Fürsorge „Also bist du lieber verletzt?“ „Meistens, ja.“ Sie lacht. Und ich? Ich mag den Schmerz und das Drama und je nachdem, das Ausgeliefert-Sein oder das Vertrauen, das mir entgegen gebracht wird. Ich mag auch die Gemeinheiten, das Herumdrücken an verletzten Stellen, das „es muss so sein“, das gar nicht so sein muss. Ob ich mit realen Verletzungen spielen würde? Wenn es sich ergibt, sicher. Sie nickt.

Als ich vom Klo zurück komme, ist der dritte Stuhl am Tisch leicht verrückt: Ihr ausgestrecktes Bein, ein Skaterrock fällt halb über ein Tattoo am Oberschenkel, abstrakte Linien und Kreise, und ihr Fuß liegt auf dem Stuhl, einige Wicklungen einer klassischen, beigen elastischen Binde sind über dem Rand eines alten Sneakers zu sehen. Wieder bleibt mir fast der Atem weg. Eine Hand auf der Lehne ihres Sessels bleib ich stehen, „Alles okay bei dir?“ Sie sieht zu mir auf. „Alles klar, ja. Ich hab bloß meinen Fuß hoch legen müssen, der hat mir ein bisschen zu schaffen gemacht.“ Ich betrachte sie einen Moment. „Soll ich fragen, ob die einen Sack Eis haben?“ Sie lächelt. „Nein, nein. Danke dir. Es wird sicher gleich wieder besser. Aber kannst du mir noch einen Kaffee bestellen?“ Fast wie in einem Traum fühle ich mich, als ich umdrehe, zurück in das Café gehe und ihren Wunsch weiter trage.

Während wir uns unterhalten, schweift auch ihr Blick immer wieder zu ihrem bandagierten Knöchel, und so folge ich ihm ungeniert. Ich betrachte ausgiebig ihr Bein, die Wölbung des verbundenen Knöchels, die etwas zu weit gedehnte Socke. Spüre ihren Blick auf mir ruhen, und blicke wieder und wieder auf in ihr zufriedenes Lächeln.

„Wie geht es dem Fuß?“ Sie verzieht ein wenig das Gesicht, nippt an ihrem Kaffee. „Besser, ein bisschen angeschwollen fühlt es sich noch an. Ich hätte ihn gleich hoch legen sollen.“ Ob es eine neue Verletzung ist? Ja, vorgestern ist sie umgeknickt. „Beim Plaudern von so einer Kante gerutscht mit einem Schritt nach hinten. Erst hab ich gar nicht so viel gespürt davon, aber am bis zum Abend hab ich dann ziemlich gehumpelt.“ Erst da hat sie sich Zeit genommen dafür, hat die Schwellung gesehen, hat den Fuß hoch gelegt und gekühlt. Tuts noch sehr weh? „Nein, es ist wirklich nicht so schlimm. Ich kann ganz gut auftreten, hab ihn gestern den ganzen Tag geschont.“ Sie streckt den Knöchel und zieht ihn wieder an, zuckt kaum merklich zusammen, als sie ihn ein wenig dreht. Ich sehe ihr in die Augen, ihr Gesichtsausdruck entspannt sich schon wieder. „Na, nicht zu ungestüm damit, meine Liebe.“ Ich überrasche mich selbst, lege meine Hand sanft auf den Fuß, die Bandage rau unter meinen Fingern. „Das braucht Zeit zum Heilen, sei doch gut zu dir.“ Einen Moment lang befürchte ich, den falschen Ton getroffen zu haben, doch unsere Blicke hängen enger und enger aneinander. Bis sie sich zurück lehnt, die Augen rollt. „Ich weiß, ich weiß. Es fällt mir so schwer -“ Diesmal spüre ich, wie ihr Fuß sich unter meiner Hand seitwärts dreht, und wie sie mit einem Ruck in die schonende Position zurück kehrt, als hätte ein stechender Schmerz sie durchzuckt. Sie atmet zischend aus. „Du hast ja recht. Ich sollte es wirklich nicht übertreiben.“

Sie war gestern so vorsichtig, erzählt sie, aber heute hat sie die Geduld verlassen. Am Morgen hat der Knöchel sich ein wenig steif angefühlt, aber nicht besonders weh getan, und sie hatte gar nicht daran gedacht, Schuhe anzuziehen, die ihr mehr Halt geben könnten. „oder Krücken“, sagt sie langsam und schaut mich an. Wieder scheine ich aufs Atmen vergessen zu haben. „Aua, der ist jetzt richtig geschwollen, glaub ich. Ich hab den auch viel zu eng eingewickelt…“

Ich bin ein wenig zur Seite gerutscht und ihr Fuß liegt auf meinem Schoß. Langsam, vorsichtig löse ich die Schuhbänder. „Danke“, haucht sie. Ich öffne den Schuh, so gut ich kann, bevor ich ihr Bein, das sie anhebt, ein wenig stütze, und vorsichtig ihre Ferse aus dem Sneaker löse. „Au!“ Doch der Schuh ist schon herunter gerutscht und ihr dick bandagierter Fuß liegt schwer in meinen Händen. „Bist du okay?“ Sie winkt ab. „Ich hab mich mehr erschrocken.“

Ich spüre ihre Anspannung, als ich ihre kurze blaue Socke langsam über die raue Bandage und ihre nackten Zehen ziehe, doch jede weitere Reaktion bleibt aus. „Bereit?“ Sie nickt. Ich löse die Klammer und es klackt leise, als ich sie auf die spiegelnde Oberfläche des metallenen Tisches lege. Langsam wickle ich die Bandage zu einer Rolle und betrachte jeden Zentimeter Haut, der zum Vorschein kommt. An einer Stelle hat das Material tiefe Abdrücke in ihrer Haut hinterlassen, ich halte inne und streiche mit den Fingerspitzen darüber.

Sie seufzt, als ich meine Finger ihr Bein hinab, über ihren Köchel, den Fuß entlang gleiten lasse. Schwellung kann ich keine sehen. Ob ich ihn massieren kann? Langsam, genüsslich knete ich meine Daumen oberhalb ihrer Verletzung entlang, drücke meine Finger sanft in ihre Fußsohle, in ihren Rist und gegen ihre Zehen, streiche mit der flachen Hand Kreise über ihren Knöchel. Sie stöhnt leise, ich sehe auf zu ihren halb geschlossenen Augen. „Gut so?“ Sie nickt. Sie würde ihn gerne ein bisschen so ausruhen, bevor ich ihn neu bandagieren, sagt sie. Zwischen meine Knie drückt ihr Unterschenkel, meine Hände liegen über dem Großteil der Tattoos, die kein bisschen gedehnt knapp über ihrem Knöchel enden.

Sie wackelt mit den Zehen, während ich Schlinge um Schlinge der breiten Bandage um ihren Knöchel führe. Ich drücke ein wenig an, um eine gute Position zu erwischen, sie zuckt zusammen. „Tut mir Leid“, sag ich. Es stört sie nicht. „Gut so?“ frag ich. Sie nickt. Lächelt. Ihr Fuß bleibt liegen. „Danke, das fühlt sich viel besser an.“ Ob ich das schon oft gemacht habe. Gelegentlich. Gut aufgehoben fühlt sie sich. Ich lächle. Das freut mich. Ich trinke den letzten Rest meines Erdbeer-Shakes, streichle ihren Fuß. Was sie heute noch vor hat? Oh, zu Hause am Balkon die Füße hoch legen. Aber erst muss sie noch telefonieren, sie würde das gleich hier machen, ob es für mich okay wäre, wenn sie noch bliebe? Sie wird zahlen, dann gleich. Ihr Bein liegt auf dem Stuhl. Ich stehe auf, die Hand auf ihrer Schulter. „Schön wars mit dir.“